Müde nach einem langen Tag in der Praxis, stieg Thomas aus dem Aufzug in die Tiefgarage. Ach, da stand sie ja und wartete geduldig auf ihn. “Bella macchina”, so hatte er den feuerroten Porsche getauft. Er war einer der ersten Ärzte gewesen, die die Covid-Injektion gespritzt hatten, und die Investition in die Kühlkette seiner Praxis hatte sich vielfach amortisiert. So sehr, dass er sich damit endlich den Traum von Bella erfüllen konnte. Seltsam nur, dass ein halbes Jahr später niemand mehr von -80°C Aufbewahrung gesprochen hatte, und sogar Zahnärzte das Zeug abgaben. Hätte Thomas das gewusst, hätte er sich den Tiefkühler sparen können, aber dann hätte er viel mehr Konkurrenz gehabt, und ob Bella dann noch möglich gewesen wäre?
Doch als er heute den Starterknopf betätigte, kam ihn kein Hochgefühl mehr an. MIt einem Mal war das Aufbrüllen der 600 PS ihm, als würden ihn die Teufel aus der Hölle verlachen. Die Tränen von Frau Marienburg gingen Thomas nicht mehr aus dem Kopf.
“Ich muss Ihre Befürchtungen leider bestätigen”, hatte er zu Frau Marienburg gesagt. “Das Herz Ihres Kindes schlägt nicht mehr. Es ist im Mutterleib verstorben, Sie müssen sobald als möglich ins Krankenhaus, und den Fötus ausschaben lassen. Sie könnten sonst durch Leichengift selbst in Lebensgefahr geraten.” Thomas hatte es in ihren Augen gesehen, den Moment, als sie begriff, dass es endgültig war. Als hätte ein Schatten jeden Glanz aus ihrem Blick vertrieben. Er spürte, in ihrer Seele war etwas erloschen, mit dem Kind.
Und Thomas konnte es vollkommen verstehen. Frau Marienburg hatte sich seit vielen Jahren ein Kind gewünscht. Und sie hatte die Hoffnung schon aufgegeben gehabt, als Corona kam. Aber in der Langeweile der befohlenen Isolation hatten ihr Mann und sie sich wohl fleißig dem ältesten Zeitvertreib der Welt gewidmet, und dann hatte es doch noch geklappt. Frau Marienburg war überglücklich gewesen, ein Junge wäre es geworden, und sie hatte Thomas viele Bilder von dem Kinderzimmer gezeigt, das sie gemeinsam mit ihrem Mann eingerichtet hatte.
Es ließ Thomas nicht los. Es war, als ob das Ungeborene im siebten Monat einen Herzinfarkt erlitten hatte. Wie ist das nur möglich, dachte er. Man hört jetzt von so vielen Kindern mit Herzproblemen, aber schon die Babys im Mutterleib? Es ist wirklich seltsam.
Plötzlich fiel es ihm wieder ein, der Besuch von Frau Marienburg vor 4 Monaten. “Sind Sie sicher, dass der Booster dem Kind nicht schaden wird? Ich möchte auf keinen Fall etwas tun, das es gefährdet.” Thomas hatte sie beruhigt. “Alle wissenschaftlichen Autoritäten sagen, dass die Impfung für Schwangere ungefährlich ist. Tatsächlich ist sie sogar ein wichtiger Schutz, nicht nur für Sie, sondern auch für das Kind. Sie können den Booster unbesorgt nehmen.” Aber Thomas wusste auch, an was er in diesem Moment noch gedacht hatte. Dass die Quote für diesen Monat noch nicht erfüllt war. Denn die einzelne Impfung brachte nicht viel, aber wenn man eine Impfquote von 80% unter den eigenen Patienten erreichte, winkten sehr große Bonuszahlungen. Und für diese Quote zählte jeder, den man überzeugen konnte. Und es waren die Boni gewesen, die Bella möglich gemacht hatten.
Frau Marienburg hatte ihm vertraut. Und heute war sie vor ihm gesessen, und Thomas hatte ihr ein Beruhigungsmittel spritzen müssen, denn der Schmerz hatte ihr schier den Verstand geraubt. Er war froh gewesen, als endlich der Sanka gekommen war, und sie in die Klinik gefahren hatte.
Bellas Röhren klang, wie höhnisches Gelächter aus der Hölle. Thomas parkte das Auto, und setzte sich an den Arbeitstisch in seinem Haus. Er kam nicht zur Ruhe, er würde heute Überstunden machen, und alles recherchieren, was er zur Gefahr der gentechnischen Injektion für die Schwangerschaft finden konnte.
Viele Stunden später, in denen er zum ersten Mal auch kritischen Ärzten und Wissenschaftlern zugehört hatte, war seine Welt zerbrochen. Plazenta-gängig. Immunsystem des Embryos noch nicht funktionsfähig. DNA-Verunreinigungen, weil man die Kosten des Herstellungsprozesses senken wollte. Extrem giftige Hilfsstoffe aller Art. Und überdies, kaum Schutz, wenn überhaupt. Wer “geimpft” war, hatte danach sogar ein höheres Risiko, an der Infektion zu erkranken. Eigentlich gerade das Gegenteil einer Impfung, dachte Thomas. Und das jahrzehntealte Wissen, dass Schwangere überhaupt keine Medikamente nehmen sollten, noch nicht einmal eine Kopfschmerztablette, dieses Wissen hätte selbstverständlich auch für diese Injektion gegolten. Sogar erst recht, da es sich um eine neuartige und noch nie in der Breite eingesetzte Technologie handelte.
Was habe ich getan, dachte er. Frau Marienburg wird diesen Schicksalsschlag niemals verwinden, und wieviel Leid habe ich sonst noch in die Welt gebracht? Sebastian, gerade mal 15 Jahre alt, neulich musste er beim Schulsport reanimiert werden. Er war so tapfer gewesen, als Thomas ihn geimpft hatte. “Keine Sorge, Doc. Ich bin kein kleines Kind mehr.” Trotzdem hatte Sebastian weggesehen, als die Nadel eindrang. Und wieviele gab es, und würde es noch geben, von denen Thomas nichts wusste? Ich wollte doch den Menschen helfen, aus jeder Tiefe meines Herzens, grübelte er, wann hat es angefangen, dass ich nur noch meinem Geldbeutel helfen wollte?
Thomas stand auf und ging in die Diele. Er sah in den Spiegel. Ein Porsche-süchtiges Monster starrte zurück. Er ertrug es nicht mehr.
Die Dosierung ist entscheidend, überlegte er. Wenn es zuviel ist, werde ich es erbrechen. Wenn es zuwenig ist, überlebe ich, lande in der Psychiatrie und bleibe vielleicht für mein Leben lang an den Nieren geschädigt. Ich muss es genau ausrechnen. Er stellte sich auf die Waage, und tippte auf dem Taschenrechner. Gut. Ein schöner Whiskey, und dann der letzte Schlaf.
Thomas schlug die Augen auf. Um ihn erstreckte sich eine Wüste. Weit weg bemerkte er sein Haus. Wie eigenartig, dachte er. Mein Haus steht doch gar nicht in einer Wüste. Er sah sich um. In einiger Entfernung war eine kleine Staubwolke, und nach einer Weile erkannte er, was sie verursachte. Es war ein Eselskarren, geführt von einem Knaben. Er mochte 12 oder 13 Jahre alt sein.
“Grüß dich”, sagte der Junge. “Ich habe Gold, Myrrhe und Weihrauch. Möchtest du?” Thomas war völlig perplex. Verwirrt fragte er zurück, “Was soll es denn kosten?” Der Junge lächelte. “Ach, ich habe es selbst geschenkt bekommen. Und nun verschenke ich es.”
Thomas musste lachen. “Kein Wunder, dass du auf einem klapprigen Eselswagen daherkommst, als Geschäftsmann bist du nicht sonderlich begabt, stimmt’s?” Doch sein Scherz verfing nicht. Stattdessen trat ein Ausdruck tiefer Trauer auf das Antlitz des Knaben.
“Geschäfte, immer nur Geschäfte. Und dann bestechen die Manager die Politiker, dass die Forschungen und Studien so teuer werden, dass niemand sie bezahlen kann, außer die Unternehmen der Manager. Und 9 von 10 Studien erbringen nicht das Ergebnis, dass die Manager wollen, aber weil sie die Studien bezahlt haben, lassen sie die 9, die ihnen nicht in ihre gewissenlosen Geschäfte passen, unter den Tisch fallen. Und für die eine Studie, die genehm ist, bekommen sie die Zulassung von korrupten Politikern, die sich für ihr Schweigegeld dann Porsches kaufen. Wie du.”
Thomas saß nun auf der Kutscherbank neben dem Jungen, der mit ruhigen und zärtlichen Befehlen den Esel lenkte. Wie bin ich auf die Bank gekommen, fragte sich Thomas. Er konnte sich nicht erinnern. Sie fuhren in Richtung seines Hauses.
“Weißt du noch, was du heute zu Mittag hattest?” fragte der Junge. “Schweinebraten, nicht wahr? Und du hast die ganze Kruste aufgegessen.” Ein kalter Stich fuhr Thomas ins Herz. “Hinweis: Fettreiche Kost verringert die Absorption” – wie hatte er das nur bei der Berechnung der Dosis übersehen können.
“Das heißt, ich muss zurück? Aber ich kann es nicht! Ich kann nicht mit meiner Schuld weiterleben, das musst du doch verstehen!” Der Junge sah Thomas aus seinen dunklen Augen an, und es war, als wäre eine Galaxie darin verborgen. “Das hast du dir so vorgestellt, ja? Ein paar Pillen, wie du es gewöhnt bist, und alle Probleme sind weg? Ich muss dich enttäuschen. Wir alle sind ewig.”
Thomas fiel die Messe wieder ein, bei der er als Ministrant einen goldenen Schein über der Bibel gesehen hatte. Aber dann war er mitten im Hochamt eingeschlafen, alle hatten ihn ausgelacht, und er hatte es als Tagträumerei abgetan. So ist schließlich doch alles wahr, dachte Thomas. Eine große Angst stieg in seinem Herzen auf. “Du bist also mein Richter? Sag, wie lang ist die Ewigkeit in der Hölle?” Denn er war sicher, wie der Spruch über sein Leben ausfallen würde.
Ernst schüttelte der Knabe den Kopf. “Meine Aufgabe ist es, zu verzeihen. Ohnehin, ich liebe alle Wesen, sogar die bösesten. Ich wäre kein guter Richter, glaube ich.”
Sie waren schon recht nahe an das Haus von Thomas gekommen, und Thomas konnte sehen, dass sein Ältester vor dem Fenster seines Wohnzimmers stand, und wild dagegen trommelte. Seine Schwiegertochter schrie in ihr Handy und gestikulierte wild herum. Und die beiden Enkel saßen verloren und ratlos auf der Veranda. Es musste ein Überraschungsbesuch zum gemeinsamen Frühstück sein, es war nichts ausgemacht gewesen.
“Schau”, sagte der Knabe. “Du bist betrogen worden. Professoren, Manager, Journalisten, Politiker, Investoren, es ist eine lange Kette des Bösen, und es ist schwer zu sagen, wo genau sie endet. Wie weit kann man sich von Gott entfernen? Sicher, eine Grenze wird es wohl geben, das Böse muss sich zwangsläufig selbst vernichten in letzter Konsequenz. Wer sich zu weit vom Odem Seines Lebens entfernt, muss irgendwann damit beginnen, sich selbst zu verzehren, und so tötet das Böse am Ende sich immer selbst. Aber, wenn ich mir eure Welt so ansehe, und all das Leid und die Qual darin, der Große Freund scheint diese Grenze doch sehr weit gesteckt zu haben.
“Dort kommt die Ambulanz. Die Feuerwehr ist auch schon da. Wir haben nur noch wenig Zeit. Sag, was hast du gelernt?”
Es hatte Thomas Monate gekostet, aus der Psychiatrie entlassen zu werden. Glücklicherweise hatte ein junger Arzt seine Praxis in dieser Zeit weitergeführt. Noch besser war, dass dieser junge Arzt seine Praxis übernehmen wollte, und die Kreditzusage der Bank für diese Übernahme heute erfolgt war. Der rote Porsche war ohnehin längst verkauft. Thomas griff zum Telefon.
Die Scheinwerfer des alternativen Fernsehsenders strahlten grell. Der Moderator nahm das Mikrofon. “Sehr geehrte Damen und Herren, eines der größten Übel unserer Zeit ist es, dass Forschung so teuer geworden ist, dass Studien nur noch von den Pharma-Konzernen finanziert werden können. Deshalb gibt es auch keine Studien zu den Nebenwirkungen des gentechnischen Covid-Experiments, und erst recht gibt es keine Studien, wie man die Spätschäden dieser Injektion bekämpfen könnte. Ich freue mich deshalb sehr, Ihnen heute ein großartiges neues Projekt vorzustellen, das sein Gründer mit einem erheblichen Eigenkapital ausgestattet hat. Ich hoffe, Sie werden alle diese Bemühung, der Wahrheit zu Gerechtigkeit und Geltung zu verhelfen, großzügig unterstützen und übergebe das Wort an …”