Fabia war 7 Jahre alt, als ihr Vater, ein Bauer aus Apulien, wegen einer Dürre Haus und Hof verlor und für seine Schulden zum Tode verurteilt wurde. Aber Fabia war ein sehr hübsches Kind, und so erklärte der Creditor sich bereit, das Leben des Vaters zu verschonen, wenn dieser ihm seine Tochter in die Sklaverei überlassen würde.
Der Creditor machte ein gutes Geschäft damit, denn auf dem Markt in Neapolis brachte ihm Fabia mehr ein, als der Vater ihm schuldig gewesen wäre. Ein Rüstungsfabrikant aus Rom erwarb sie für seinen Haushalt. Normalerweise waren Kinder billig, sie galten als wertlos, weil sie nicht viel arbeiten konnten. Doch um Fabia war ein Bieterwettstreit entbrannt, und der Römer hatte alle überboten. Sie gefiel ihm, und er hatte keine Tochter, so hatte er es dem Creditor erklärt.
Anfangs bekam Fabia den Fabrikanten nur selten zu sehen. Sie arbeitete der Köchin zu und erledigte für sie meist Putzarbeiten. Hin und wieder sah die Herrin vorbei, und das war jedesmal die Hölle. Wenn es Fabia nicht gelang, sich schnell genug zu verstecken, wurde sie immer ausgeschimpft und bekam Schläge. Fabia konnte es nicht verstehen. Diese Frau war wohlhabend und besaß alles, was einer nur haben konnte, aber sie war ständig und mit allem unzufrieden. Fabia fiel auf, dass auch der Fabrikant seiner Frau aus dem Weg ging, so gut er es vermochte. Seltsam, dachte Fabia. Sie lieben sich gar nicht, warum sind sie verheiratet?
Aber wie es damals üblich war, diese Ehe war nur geschlossen worden um der Geschäfte willen. Der Familie des Fabrikanten hatte einen Eisenerzbergbau eingebracht, und die adelige Familie seiner Frau Kontakte zum Senat. Und damit war der Rüstungsbetrieb zu einem großen und florierenden Unternehmen herangewachsen. Doch wie man sagt, Geld allein macht nicht glücklich, und weil die Hausherrin den schönen Künsten zugeneigt war, der Fabrikant aber den Wagenrennen, und sie sich auch sonst nicht viel zu sagen hatten, lebten sie sich immer weiter auseinander. Vollends unerträglich war es geworden, als die Herrin Freundschaft mit einer Vestalin schloß, und deren Kult der Jungfräulichkeit zur willkommenen spirituellen Rechtfertigung nahm, sich ihrem Gatten gänzlich zu versagen. Eine Wolke von Streit und Unglück erfüllte das elegante Haus.
Als Fabia 12 wurde, begann es. Der Fabrikant sah sie mit anderen Augen an, und eines Nachts überfiel er sie in ihrer Kammer. Und als Fabia weinend der Köchin davon erzählte, zuckte diese nur mit den Schultern. “Wir sind nichts als Vieh für die. Und es ist sein Recht, finde dich damit ab.”
So ging es also weiter, bald jede Nacht bekam Fabia nun Besuch. Und als ihr 15. Jahr kam, fiel mit einem Mal die Last der Blutung von ihr ab. Zuerst dachte sie sich nichts dabei, doch als schon zwei Monate vergangen waren, vertraute sie sich einer Freundin an. Diese aber hatte es eilig, die Nachricht der Herrin zu bringen. Was das für ein Krach war! Das Gesinde zog die Köpfe ein, so ein Geschrei zwischen dem Fabrikanten und seiner Frau hatten sie noch nie gehört.
Der jüngste Sohn des Fabrikanten hieß Quiryn. Er war 17 Jahre alt und ein schüchterner Junge, der sich meist in seinen Büchern vergrub. Seine Geburt war sehr schwer gewesen, und deshalb war er verkrüppelt und hinkte stark. Seit langem schon brannte sein Herz für Fabias Anmut und ihr freundliches Wesen, aber nie hatte er sich getraut, sie anzusprechen. Sie würde ihn nur auslachen, oder, schlimmer noch, ihn ihr Mitleid spüren lassen, hatte er sich gedacht. Und so war es ihm noch nie gelungen, sie auch nur anzulächeln. Doch als er Fabia weinend im Stall sitzen sah, nahm er all seinen Mut zusammen, und fragte sie, warum sie so traurig sei.
“In mir wächst ein Kind, es ist von deinem Vater. Er will, dass ich es wegmache. Die Kräuterfrau hat mir diesen Trank gebraut, aber ich will ihn nicht nehmen. Als mein Vater mich fortgab, war es das schlimmste, was mir je geschehen ist, aber nun will der Herr, dass ich mein Kind sogar töten soll bevor es die Sonne jemals sehen konnte!”
Fabia konnte nicht weitersprechen. Sie schluchzte ohne Unterlass und Quiryn hockte sich neben sie. Er legte seinen Arm um sie und flüsterte: “Wir werden einen Weg finden, ganz bestimmt, Jupiter wird uns helfen.” Und tatsächlich, es dauerte eine ganze Weile, aber es gelang ihm, Fabia zu trösten.
Sie flohen in der Nacht. Der Fabrikant war auf einer langen Sitzung im Senat, und die Herrin bei einem Fest zu Ehren von Vesta. Der Wächter am Stadttor ließ sie passieren, denn er erkannte Quiryn und traute sich nicht, den Sohn eines so hochgestellten Herren aufzuhalten. Aber als am nächsten Morgen das Verschwinden der beiden entdeckt wurde, dauerte es nicht lange, bis man wusste, was geschehen war. Man sendete Soldaten, um den Sohn zurückzubringen und Fabia ihrer Strafe des Todes zu unterwerfen.
Ein Bauer hatte sich von einer der von Quiryn gestohlenen Goldmünzen überzeugen lassen und sie auf seinem Karren mitgenommen. Ihr Ziel war Aternum, dort wollten sie sich einschiffen in Richtung der griechischen Küste. Aber die nach Aternum führende Via Claudia Valeria war eine der wichtigsten Straßen des römischen Reiches, und etwa 10 Milliaria vor der Küste fielen sie einer Patrouille auf. Der Bauer floh, und Fabia und Quiryn sahen sich 10 schwerbewaffneten Soldaten gegenüber.
“Schnell, bitte lass mich zu Ihm!” Der kleine Engel war verzweifelt. Wie konnte Der Vater ihm eine so unmögliche Aufgabe antragen? Er musste Ihn sehen, sofort. Der Erzengel sah die Not in den Augen des kleinen Engels. “Wehe du störst Ihn mit Nichtigkeiten! Er baut gerade an einer neuen Galaxie.” Aber er öffnete das Tor und ließ den Himmelsnovizen eintreten.
Dieses Licht! Warm und gülden, und als würde es von überall her kommen, sogar aus dem kleinen Engel selbst. Er warf sich vor Seinen Thron und erzählte unter Tränen. “Du musst helfen”, schluchzte der kleine Engel. “Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.”
Ein grollender Donner erfüllte den Himmel. Dann schlug ein Blitz ein, geradewegs in den Baum, an welchem die Soldaten die Pferde ihres Streitwagens angebunden hatten. Der Baum begann zu brennen, die Pferde schrien und rissen sich los. Fluchend rannten die Soldaten ihnen hinterher. Quiryn nahm Fabia an die Hand und versteckte sich mit ihr in einem nahegelegenen Wäldchen.
Der Kapitän hatte keine Fragen gestellt. Der kleine Haufen Goldmünzen, den Quiryn vor ihm ausgeschüttet hatte, war mehr, als er in einem halben Jahr Arbeit verdienen konnte. Aber auch in Illyrien konnten die beiden nicht bleiben, es waren zu viele römische Garnisonen dort. Sie gingen immer weiter fort, bis sie endlich in Thrakien bei einem Stamm freundlicher Nomaden Aufnahme fanden.
Mit den letzten Münzen, die Quiryn verblieben waren, erwarb er ein Pferd, und so fiel er niemandem zur Last. Und obwohl er wegen seiner Behinderung bei dem schweren Tagwerk der Nomaden nur wenig helfen konnte, wurde er wegen seines vielen Wissens bald sehr geschätzt und genoss großen Respekt.
Sie hatten ihr Lager am Fluss Strymon aufgeschlagen, als Fabias Zeit gekommen war. Die alten Weiber des Stammes wussten, was zu tun war, und so dauerte es nur 4 Stunden, bis ein empörtes Krähen aus der Jurte kam. Quiryn nahm Fabia in den Arm und betrachtete das Kind. Es war ein Knabe, ganz rot und zerdrückt noch, aber er schien kräftig und gesund. “Du bist mein Bruder, aber ich will dich lieben wie meinen Sohn”, flüsterte Quiryn. “Wie soll er heißen?” fragte er Fabia. Sie richtete sich auf, und ein rares Leuchten war in ihren Augen. “Stark soll er sein, und stolz. Und ich will, dass er frei ist, und immer um seine Freiheit kämpfen wird. Und deshalb nenne ich ihn: Spartakus.”
Anmerkung: Spartakus, der Führer eines Sklaven-Aufstandes im römischen Reich von 73 bis 71 v. Chr., wurde in einem Stamm thrakischer Nomaden etwa 111 v.Chr. am Fluss Strymon geboren und fiel im Kampf um seine Freiheit 71 v.Chr. Über seine Mutter ist nichts bekannt; diese Erzählung von ihr ist also meine freie Erfindung.